Mittwoch, 14. November 2012

Grenzerfahrungen


oder
Wie ich ein illegaler Einwanderer der USA wurde

Es gibt so Tage, da geht alles schief und man möchte sie am liebsten aus seinem Gedächtnis streichen. Der 25. Oktober 2012 war genau so ein Tag. Es war der Tag, an dem wir Mexiko verließen, um nach New York zu fliegen. Wir hatten einen Direktflug von Cancún und alles gut organisiert. Der Shuttlebus fuhr uns pünktlich von Playa del Carmen aus zum Flughafen und wir stellten uns brav in die noch nicht all zu lange Schlange bei United Airlines an. Wir hatten genügend Zeit eingeplant, denn United ist nicht unbedingt berühmt dafür Leute besonders schnell abzufertigen. Umso erfreuter waren wir, als wir sehr schnell dran kamen, denn das bedeutet auch, dass wir unser Gepäck los werden würden.

Phase 1 – Das Ticket

Als wir allerdings am Schalter standen wurden wir gefragt, ob wir den Flug geändert hätten. Ich bejahte, denn wir hatten vor Wochen mal das Abflugdatum geändert. Das hatten wir schon öfters getan und es war nie ein Problem gewesen. Dieses mal jedoch sagte man uns, dass wir das bezahlen müssten. Als ich der freundlichen Dame erklärte, dass es sich um ein RTW-Ticket handeln würde, was bereits bezahlt sei und ich noch nie irgendwas bezahlen musste, wenn ein Abflugtermin geändert wurde, fing sie an wild zu telefonieren und sich von anderen Leuten Informationen zu holen. Das ist meist ein eher schlechtes Zeichen. Nach ein wenig hin und her kam dann heraus, dass zwar eine Reservierung für uns auf dem Flug lag, aber das Ticket nicht an United überschrieben wurde. Klingt komisch, ist aber so. 
Das RTW-Ticket ist technisch von New Zealand Airlines ausgestellt worden. Da United Airlines aber kein Zugriff auf deren Tickets hat und New Zealand Airlines auch nicht in Cancún vertreten ist, blieb nur eines: in Deutschland anrufen und hoffen, dass das Reisebüro was ausrichten kann. Zunächst versuchten wir mit den öffentlichen Münztelefonen nach Deutschland zu telefonieren. Leider nahmen die weder die Kreditkarten noch wollten die unser Geld. Wir hatten dann noch Telefonkarten gekauft, mit denen ging es aber auch nicht. Also habe ich mein deutsches Handy genommen und dort angerufen. Wir waren stark unter Zeitdruck, denn es war in Deutschland bereits 18 Uhr und wir wussten nicht, ob dort jemand erreichbar wäre. Zum Glück war aber jemand da und der Mensch war auch kompetent. Er änderte alles im Computer und eine halbe Stunde später konnten wir uns wieder anstellen, das Ticket war zu United überschrieben worden. Wir ärgerten uns ein wenig, denn die Schlange war nun ewig lang, aber man nahm uns mit – das war die Hauptsache.

Phase 2 – Der Flug

Wir nahmen unsere Boardingtickets entgegen, sind noch schnell was überteuertes am Flughafen Essen gegangen (bei United muss man das Essen nämlich oft im Flieger extra bezahlen) und dann zum Gate gehetzt, das Boarding hatte bereits begonnen. Als wir den Flieger betraten konnten wir es kaum glauben: Wir waren in die Business-Klasse hoch gestuft worden. Der Flieger war so gerammelt voll, dass kein Platz mehr in der Economy Class war. Es war also durchaus Glück so spät zu kommen. Vielleicht hatte man uns wegen der Ticket-Geschichte auch bevorzugt behandelt. Wir wissen es nicht. Fakt ist aber, dass mehrere Leute hoch gestuft wurden.
Ärgerlich war, dass wir ein fantastisches und kostenloses Mahl in der Business-Klasse erhielten. Wir hätten uns also das überteuerte Essen am Flughafen sparen können. Aber wenigstens mussten wir an dem Tag nicht hungern – ist ja auch was. Der Flug war sehr angenehm.

Phase 3 – Die Grenze

Die Grenze der Vereinigten Staaten ist berüchtigt für ihr rigoroses Vorgehen gegen einreisende Personen. Nicht nur, dass man seine Fingerabdrücke wie ein Verbrecher dort abgeben muss, beim leisesten Verdacht auf irgendeine „Unregelmäßigkeit“ wird man näher unter die Lupe genommen. In Honolulu hatten wir keinerlei Probleme bei der Einreise. Claudia hatte auch in New York keine Probleme, allerdings wurde die nette Frau an meinem Schalter ein wenig nervös, als sie in den Rechner schaute. Ich wurde in einen extra Raum gebeten und musste mich einer unangenehmen Befragung stellen. Ich wurde, ohne dass man mir mitteilte, warum ich befragt wurde, nach meinem Beruf, Grund der Reise, Kontostand usw. gefragt. Das ganze in ziemlich unfreundlichem Ton und mit sehr argwöhnischem Blick. Als ich zunächst sagte, dass ich mit meiner „Freundin“ reisen würde (Claudia musste übrigens draußen warten und ihr wurde auch nichts mitgeteilt) und später sagte, dass sie meine „Verlobte“ sei, bezichtigte man mich sogar der Lüge. Immerhin ist „Verlobte“ und „Freundin“ natürlich GANZ etwas anderes. 
Selbstverständlich ist der rechtliche Status von „verlobt sein“ in den USA der gleiche wie von „befreundet sein“ - genau wie in Deutschland. Man schien also mit aller Gewalt irgend eine „Ungereimtheit“ finden zu wollen, um meine Aussagen unglaubwürdig erscheinen zu lassen. Man nahm mir dann meine Mobiltelefone und den PC weg und der Grenzbeamte suchte Claudia auf. Offensichtlich war ihre Aussage dann ähnlich genug zu meiner Aussage. Man gab mir Handys und PC zurück und ließ uns gehen. Als ich fragte, was das ganze nun sollte, sagte man mir, dass man sicher gehen wollte, dass ich nicht illegal in die USA einwandern wolle. Ähm ja...das ist natürlich auch der wahrscheinlichste Fall, dass man über Indien, Thailand, China, Australien und Neuseeland sozusagen DIREKT in die USA einreist, dann noch kurz nach Mexiko fliegt, um dann aber wirklich in die USA zu kommen. Außerdem habe ich ein Rück- bzw. Weiterflugticket und bin Staatsbürger eines der reichsten Länder des Planeten. 
Wir wissen nicht, ob das tatsächlich der Grund war oder ob ich unter Terrorverdacht stand. Immerhin war meine Haut von der Sonne stark gebräunt und ich bin dunkelhaarig und ich reise viel herum. Man fragte mich auch, ob meine Eltern Deutsche seien. Alles sehr, sehr merkwürdig.
Wir beschlossen dann schnell zu gehen, bevor sie es sich anders überlegen würden. Wir hatten damit gerechnet, dass man uns vielleicht nach Drogen durchsuchen würde, weil wir ja aus Mexiko gekommen sind. Aber Drogen hätten wir vermutlich in größeren Mengen unbemerkt einführen können. Danach hat uns niemand gefragt oder kontrolliert.

Phase 4 – Kreditkarten

Als nächstes benötigten wir Geld, um zu unseren Gastgebern nach Jersey City zu kommen. Leider spuckten die Kreditkarten kein Geld aus. Das passiert manchmal, wenn die Geldautomaten Probleme mit der Verbindung haben. Manchmal geht es auch an Automaten einer bestimmten Marke nicht. Aber auch direkt bezahlen funktionierte nicht. Zum Glück verlassen wir uns ja nicht nur auf die Kreditkarten sondern haben auch immer noch EC-Karten dabei. Nachteil bei den EC-Karten: Sie gehen nicht an allen Automaten außerhalb Europas und sie nehmen höhere Gebühren. Aber wir brauchten das Geld. Wir stellten später fest, dass die Bank uns den Kreditrahmen ohne Vorankündigung entzogen hatte. Die Karten sind nicht gesperrt. Wir können jederzeit Geld drauf laden, aber es gibt eben keinen Kredit im eigentlichen Sinne. Es sind nun nur noch Debitkarten. Wir haben nämlich das dazugehörige Girokonto ein wenig zu stark überzogen. Das ist in der Vergangenheit schon ein paar mal vorgekommen, aber wir haben das Konto regelmäßig ausgeglichen. Es gab also immer Geldeingang auf dem Konto.
Das ist für unsere Planungen gerade ein wenig unkomfortabel, aber nicht weiter tragisch. Wir haben Geld und wir haben auch noch die MasterCard für Notfälle. Die hat zwar recht hohe Gebühren, aber sie funktioniert. Es muss sich also niemand Sorgen machen, dass wir ohne Geld irgendwo gestrandet sind. Das sind wir nicht. Wir hatten nur für einen Tag das Problem, dass wir nicht an unser Geld heran gekommen sind. Wir streiten uns gerade deshalb ein wenig mit der DKB per Email rum. Das kennt man ja. Man schreibt eine Email und bekommt vorgefertigte Textblöcke in einer Email als Antwort zugeschickt. Sehr nervig.
Insgesamt können wir die DKB nur empfehlen, aber man muss sich darüber im klaren sein, dass es sich um eine Internetbank handelt. Wenn da im Computer irgendein Mechanismus in Gang gesetzt wird, wird eben automatisch gehandelt. Ohne Nachfrage. Der Computer entscheidet. Und wenn das im Computer so steht, kann es auch nicht geändert werden. Basta.

Phase 5 – Ankommen

Etwa so haben wir uns gefühlt.
Zum Glück sind wir dann doch bei Molly in Jersey City angekommen. Die hatte sich schon Sorgen gemacht und sich dann im Namen der Vereinigten Staaten bei mir wegen der Behandlung an der Grenze entschuldigt. Da sie selbst lange im Ausland gelebt hat, weiß sie, wie unangenehm so etwas sein kann und sie kennt viele Geschichten von Leuten, die in die USA eingereist sind. Wir jedenfalls waren froh, dass wir sicher in Mollys gemütlichem Heim angekommen waren. Bis drei Tage später Sandy die Region besuchen sollte. Aber darüber hatte ich ja bereits hier berichtet.


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